KI liefert fertige Texte. Schreiblaien sind begeistert. Es scheint, als könne jeder für jeden Zweck den passenden Text produzieren. Für Unternehmen stellt sich schnell die Frage: Braucht es in Zeiten von KI überhaupt noch professionelles Schreiben? Die Antwort: alles eine Frage der Erwartung. Solange begrenzte Fakten, bekannte Textformen oder allgemeingültige Metaphern für den Leser ausreichen, kann textgenerierende KI den Schreiber ersetzen oder wenigstens entlasten.
Im Hochschulforum Wissenschaft beleuchten Schreibforscher bereits 2023 mit zehn Thesen die Zukunft des Schreibens in der Wissenschaft. Ihre Überlegungen stellen dar, wie KI-basierte Anwendungen die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und Textproduktion grundlegend verändern könnten (Diskussionspapier Nr. 23, Juni 2023). Im beruflichen Kontext werden die Chancen und Risiken, die Stärken und Schwächen der textgenerierenden KI bis jetzt weniger strukturiert untersucht.
Im beruflichen Kontext diskutieren seit dem Boom von ChatGPT und anderen Large Language Models viele Vorteile. Was sie durch textgenerierende KI verlieren (-) oder gewinnen (+), beleuchte ich aus meiner Perspektive als Kommunikationsberaterin und Texterin in fünf Thesen.
These 1: KI beeinflusst die Schreibfähigkeiten
(+) Nach allgemeinen Grundsätzen formulierte Texte färben auf die Schreibenden ab. Unbewusst verbessert sich die Schreibfähigkeit. Das professionelle Schreiben verbessert sich.
(-) Die textgenerierende KI nimmt den Schreibenden das Schreiben ab. Durch mangelnde Übung schrumpft die kognitive und motorische Fähigkeit, selbst zu schreiben.
These 2: KI beeinflusst die Lernbereitschaft
(+) Die Beschäftigung mit der Textproduktion nimmt zu. Der Umgang mit textgenerierenden KI-Tools steigert das Interesse am Schreiben und weckt die Lernbereitschaft.
(-) Mit der schnellen und einfachen Erstellung von Texten sehen Schreibende im beruflichen Umfeld weniger Sinn in Schreibtraining oder -coaching.
These 3: KI beeinflusst das Prozessverständnis
(+) Durch die eigene Erfahrung mit dem Verfassen, Überarbeiten und Korrigieren von Prompts nehmen mehr Menschen im beruflichen Kontext das Schreiben als kognitiven Prozess wahr.
(-) KI liefert fertige Texte, die ohne Wenn und Aber übernommen werden. Das fehlende Verständnis für die Qualität von Texten verhindert eine Auseinandersetzung mit dem Entstehungsprozess.
These 4: KI beeinflusst die Textqualität
(+) Die fortschreitende Entwicklung der LLM braucht für passende Texte im passenden Format immer weniger Angaben zu Ziel, Zweck und Zielperson. Die KI kann als Werkzeug im Schreibprozess die Qualität von Texten hinsichtlich Inhalt, Tonalität, Relevanz, Form und Wirkung verbessern.
(-) Menschen im beruflichen Kontext können gute von schlechten Texten aufgrund mangelnder Schreiberfahrung kaum unterscheiden. Ohne dieses Urteil nimmt die Textqualität langfristig ab.
These 5: KI beeinflusst die Produktivität
(+) Gut geschriebene Texte wirken. Sie vermeiden Verschwendung von Zeit durch schlecht geschriebene oder nicht auf Adressaten zugeschnittene Texte.
(-) Texte binden Aufmerksamkeit. Einfache Textproduktion erhöht das Volumen. Die Aufmerksamkeit pro Text sinkt. Texte wirken nicht. Inhalte werden übersehen. Die Produktivität im Unternehmen sinkt.
Fazit: Professionelles Schreiben ist notwendiger denn je.
Schreiben ist mehr als ein fertiger Text, und im zunehmenden Wettbewerb um Aufmerksamkeit ist Schreibkompetenz notwendiger denn je. Prozessorientiert eingesetzt, können KI-Tools helfen. Sie vereinfachen die Textproduktion und geben dem Schreiben eine neue Bedeutung. KI-Tools fördern die Lust aufs Schreiben und damit Kreativität, Kommunikation und Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen. Der bewusste Einsatz von KI und die Erwartungen an den Text machen den Unterschied. Ohne Verständnis für Textqualität und Entstehungsprozesse produziert die KI flache, unverbindliche und wenig anschlussfähige Inhalte, die Einzelpersonen, Teams oder Organisationen kaum weiterbringen. Richtig eingesetzt macht KI also nicht weniger Arbeit, sondern sorgt für höhere Qualität nicht nur im Schreiben – auch im Denken.
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